Was ist ein Kulturfolger?
Von anhänglichen Pflanzen und Tieren
Diese Pflanzen und Tiere, die Menschen in ihre Siedlungen bzw. Kulturlandschaft folgen, nennt man Kulturfolger oder Hemerophile. Den zweiten Begriff finde ich besonders schön, denn er leitet sich von den griechischen Begriffen „hemeros“ (kultiviert) und „philos“ (Freund) ab. Diese „kultivierten Freunde“ finden in der vom Menschen veränderten Umwelt geeignete Lebensbedingungen vor. Je nach Art leben sie im Forst, auf Äckern und Wiesen, an Verkehrswegen sowie in Siedlungen und Gebäuden.
Was ist eine Kulturlandschaft?
Eine Kulturlandschaft ist eine vom Menschen umgestaltete Naturlandschaft. Bereits seit Jahrtausenden verändert der Mensch die Landschaft und passt sie seinen Bedürfnissen an. Insbesondere Land- und Forstwirtschaft haben die ursprüngliche Vegetation verändert. In Europa gibt es heute so gut wie keine vom Menschen unberührte Natur mehr. So entstand beispielsweise aus Wäldern Ackerfläche, Moore wurden trockengelegt und Straßen gebaut. Diese Veränderungen der Landschaft hatten Folgen für Tiere und Pflanzen, die dort lebten, und sorgten dafür, dass viele Arten verschwunden sind, weil ihr Lebensraum verloren ging. Kulturfolger konnten hingegen die neu geschaffenen Lebensräume für sich nutzen.
Typische Kulturfolger aus der Tierwelt
Ein besonders bekannter Kulturfolger ist der Fuchs. Er schätzt die von Menschen geschaffenen und bewirtschafteten Flächen, auf denen er leicht Beute finden kann, sogar in der Stadt ist er mittlerweile zuhause. Weitere Tierarten, die in unseren Gärten, auf landwirtschaftlichen Flächen und sogar in Häusern vorkommen, sind beispielsweise Marder, Igel, Hausratten, Hausmäuse, Eichhörnchen, Waschbären, Feldhasen und Wildschweine. Aber auch viele Vögel, wie Mauersegler, Kohlmeisen, Stadttauben oder Weißstörche, gelten als Kulturfolger. Eine besonders erstaunliche Wandlung hat dabei die Amsel vollzogen: War sie früher ein scheuer Waldvogel, so lebt sie mittlerweile seit etwa 200 Jahren in Siedlungen. (Vgl. zum Thema Gartenvögel auch die beiden Artikel Das richtige Futter für Gartenvögel und Was muss man beim Füttern von Gartenvögeln beachten?)
Bedrohte Kulturfolger
Feldhamster und Rebhuhn profitierten ursprünglich von der Ausweitung der Landwirtschaftsflächen, heute gilt das Rebhuhn als stark gefährdet und der Feldhamster ist sogar vom Aussterben bedroht. Das liegt an der fortschreitenden Industrialisierung der Landwirtschaft, die Hecken und Büsche, und damit die Rückzugsmöglichkeiten und Schutzräume für das Rebhuhn, entfernt. Auch der kleine Feldhamster leidet unter der modernen Landwirtschaft: Die großen Erntemaschinen sind mittlerweile so effizient, dass sie kaum ein Weizenkorn für den Nager zurücklassen. Außerdem ist die Geschwindigkeit der Maschinen so hoch, dass er sich oft nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen kann und umkommt.
Typische Kulturfolger aus der Pflanzenwelt
Auch einige Pflanzen reisen gern als blinde Passagiere mit, wenn wir auf Wanderschaft gehen. Meist sind es Pflanzen, die ursprünglich in südlicheren Gebieten zuhause waren. So stammen Gänseblümchen und Kornblume eigentlich aus dem Mittelmeerraum, letztere wurde vermutlich zusammen mit Saatgut nach Mitteleuropa gebracht und hat es sich dort in und an Kornfeldern gemütlich gemacht. Weitere bekannte Kulturfolger sind die Purpurrote Taubnessel, Klatschmohn, Ackersenf und Kamille. Dem Breitwegerich hat seine Anhänglichkeit sogar einen besonderen Spitznamen eingebracht: Die Ureinwohner Nordamerikas nannten ihn „Fußstapfen des Weißen Mannes”, da er mit den Siedlern einwanderte und ihnen anschließend überallhin folgte.
Schon gewusst?
Neben Kulturfolgern gibt es auch Kulturflüchter. Sie meiden die Menschen und werden aufgrund der zunehmenden Besiedelung aus ihrem ursprünglichen Lebensraum verdrängt. Typische Kulturflüchter sind etwa der Schwarzstorch, das Haselhuhn, das Auerhuhn oder die Schmetterlingsart Augsburger Bär (die beiden letzten Arten sind vom Aussterben bedroht).
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* „Der Unterschied zwischen dem beinahe richtigen Wort und dem richtigen ist derselbe wie zwischen einem Glühwürmchen und einem Blitz“ – Mark Twain